Warum abhängen so wichtig ist
Es ist noch nicht lange her, da habe ich mich mit einem Kollegen über den Wert des Abhängens unterhalten. Gemeint war jedoch nicht faulenzen, sondern vielmehr die Tatsache, dass es Vorteile hat, wenn man einen Text über Nacht liegen lassen kann, um ihm am nächsten Morgen oder später zu überarbeiten und damit zu verbessern. Mir hat diese Strategie (entsprechende Zeit vorausgesetzt) schon oft geholfen und das Ergebnis von Kunden schon viel Lob eingebracht (wenn die wüssten, wie wirr mein erster Textentwurf manchmal aussieht ;-)).
Doch auch das Abhängen im Sinne von regelmäßigen Pausen hat viel für sich.
Zahlreiche Studien belegen eindrucksvoll, dass regelmäßige Pausen nicht nur die Produktivität und Leistungsfähigkeit erhöhen, sondern auch zur Gesunderhaltung beitragen. Grund genug also, regelmäßig einen kurzen „Stopp“ einzulegen.
Nun bin ich zwar recht fleißig, zuverlässig und gewissenhaft (zumindest behaupten dies andere von mir). Doch Abhängen habe ich inzwischen gelernt. Wenn ich genauer darüber nachdenke, mache ich sogar ständig Pausen: Aufstehen, in die Küche gehen, einen Tee holen. Den Text zu dem komplizierten Thema unterbrechen und zwischendurch kurz die E-Mails checken. Nach langem konzentriertem Arbeiten einmal kurz zurücklehnen und mich recken und strecken. Das Postpaket an der Tür annehmen, die Katzen füttern, sich um den eingerissenen Nagel kümmern und, und, und …
Zugegeben: Manche Unterbrechungen (z. B. lästige Werbeanrufe) sind unerwünscht und bringen eher zusätzlichen Stress, als dass sie in irgendeiner Weise hilfreich sind. Auch besteht die Gefahr, durch „Abhängen“ den Faden zu verlieren und raus aus einem Thema zu kommen. Auch der Übergang zwischen Abhängen und Prokastinieren (Aufschieberitis) ist fließend, wenn man nicht diszipliniert genug ist und sich leicht ablenken lässt.
Und natürlich haben all die Kritiker/innen recht, die sagen: Von nichts kommt nichts. So meinte eine gute Freundin kürzlich zu mir: „Alles schön und gut. Aber ich habe so viel zu tun. Das muss doch trotzdem erledigt werden.“ „Ja, muss es“, habe ich ihr geantwortet. „Doch nach einer kurzen Pause geht das oft doppelt so schnell und sogar dreimal besser. Probier‘ es einfach mal aus.“
So wie meine Freundin musste ich das auch erst lernen (die Pflichtbewusste, Sie wissen ;-)). Und manchmal vergesse ich es auch. Doch ich merke immer mehr, wie es sich lohnt. Und wenn es nur fünf Minuten sind, in denen man einfach mal so gar nichts tut.
Gerade Profis sollten es sich wert sein, sich regelmäßig eine kurze Auszeit zu gönnen. Ich erinnere mich an ein Interview eine Top-Managerin, die sagte, trotz Terminstress habe der regelmäßige Massagetermin bei ihr allerhöchste Priorität. Das hat bei mir Spuren hinterlassen. Und regelmäßige Massagetermine mit entspannteren Schultern.
Und neue Ideen. Denn: Pausen schaffen Räume. Für Neues. Für Besseres. Und sie geben Sicherheit, weil sie einem Zeit zum Reflektieren geben („Ja, so mache ich das.“)
Dazu kommt: Wir Menschen sind nun mal keine Maschinen. Pausen sind einfach nötig, wenn man gerade das viel zitierte „Brett vor dem Kopf“, einfach nur müde ist oder sich neu motivieren möchte.
Abhängen ist scheinbar Nichtstun. Doch das stimmt nicht. Das Innehalten ist, als ob man sein Ziel von einer Meta-Position – also mit Abstand – betrachtet. Dadurch sieht man oft plötzlich das Ganze und nicht mehr nur einen Ausschnitt. Ich nenne das auch gerne den „Perspektivenwechsel“. Und der schafft eine neue Sicht auf die Dinge und bringt oftmals die Lösung, nach der man lange gesucht oder die man nicht für möglich gehalten hat.
In diesem Sinne: Gutes Abhängen!
Schreibe einen Kommentar